21. Juni
Wie Tags zuvor ist es heute zunächst diesig und regnerisch, zum Abend hin verflüchtigen sich die Wolken mehr und mehr und schließlich ganz. Dazu viel Wind aus Südwest, zu viel vor der Küste. Kein Segler verlässt den Hafen, auch nicht der Einhandsegler, der mit seiner 22-Fuß Sun kurz nach uns in Risør angekommen war und vor nuries Bug festgemacht hatte. In Risør legte er seinen ersten Hafentag seit Trondheim ein, wo er vor 3 Wochen startete. Ich lade ihn auf ein Bier ein, wir sitzen in nuries Cockpit zusammen, dann zeigt er uns sein Boot. Es ähnelt nurie, alles Nötige ist vorhanden, mehr nicht, der Rumpf ein paar Zentimeter kürzer, die Kajüte dennoch etwas geräumiger: die Freibordhöhe von Folkebooten ist schwer zu unterbieten. Als Einhandsegler benutzt Rolf einen Pinnenpiloten, um nicht permanent am Steuer sitzen zu müssen (eben so ein Gerät habe ich kurz vor der Abreise gebraucht erstanden, seine Installation steht allerdings noch immer auf der ToDo-Liste – etwas weiter unten, vierhändig brauchen wir es eigentlich nicht). Unter strahlender Abendsonne fand eine Schärenkreuzer-Regatta statt, außerdem konnten wir der Crew einer 420er-Rennjolle beim Training zuschauen. Die Weltmeisterschaft dieser Bootsklasse findet in diesem Jahr in Risør statt.
22. Juni
Noch immer weht der Wind aus unserer Zielrichtung, jedoch nur noch mit 4 Beaufort. Von Risør aus müssen wir zunächst ein Stück auf offener See zurücklegen, bevor wir wieder in die ruhigeren Schärenfahrwasser abbiegen können. Weniger Seegang haben wir da, aber auch weniger Platz. Wir wechseln uns an der Pinne ab und wenden im Minuten-Takt. Nordwestlich von Askerøya liegt eine unter hundert Meter breite Engstelle. Um Hektik angesichts der uns zahlreich und schnell passierenden Motorboote zu verhindern starte ich den Außenborder. Er schiebt uns gut durch das schmale Fahrwasser, mehr aber nicht, kaum sind wir durch, fällt er aus. Nach erster Fehlersuche vermute ich die Zündung als Fehlerquelle. Und tatsächlich springt der Motor wieder an, nachdem ich die Zündkerze ausgetauscht habe. Keine Minute später ist er jedoch wieder aus. Zur ausführlicheren Fehlersuche (ohne Schräglage) steuern wir die nächste Anlegemöglichkeit an, den kleinen Steg der örtlichen Fischer- und Freizeitboote vor Halsen. Wie sich herausstellt sitzt die Kurbelwelle fest. Kein gutes Zeichen. Was tun? Wir fragen einen norwegischen Skipper und seine Frau, die gerade die Steile Treppe zum Steg hinabgestiegen sind, nach Motorenwerkstätten in der Nähe. Sie nennen uns zwei Möglichkeiten, Sagesund und Gjeving, jeweils unter 10 Seemeilen entfernt. Gjeving haben wir schon passiert, bei dem aktuellen Wind wären wir dort leicht und schnell, allerdings nicht vor 16 Uhr. Und es ist Samstag.
Warum bleibt ihr nicht?, fragen die beiden, unserer Frage zuvorkommend. Wir bleiben und streifen durch die Wälder von Halsen, das ausschließlich aus jungen Wohnhäusern und neuen Straßen besteht. Es gibt zwar eine Bushaltestelle, Busse fahren jedoch nur wochentags alle paar Stunden. Wir nehmen uns vor, wenn möglich morgen weiter nach Sagesund zu segeln, dort Montag früh den Motorservice aufzusuchen und wundern uns – angesichts der unverhofften Entdeckung dieser sagenhaften Landschaft nur kurz – über unsere blendende Laune trotz der Panne.
23. Juni
Wozu eigentlich dieser Außenborder? Nach Sagesund kommen wir gut ohne. Wir starten mit der Fock in Halsen, wenden (Dinge, die ich immer schon tun wollte, ohne es zu ahnen, unter anderem: Wenden in Halsen!), setzen das Großsegel dazu, kreuzen zwischen Borøya und Sandøya auf bis an Borøyas Südspitze, fallen ab, lassen uns gemütlich aber nicht langsam bis vor das Motorcenter Sagesund treiben und haben nach 9 Seemeilen, 2 1/4 Stunden noch viel übrig von diesem Sonntag. Für einen ausgiebigen Spaziergang, wie schon in Halsen viel bergauf und bergab. Und für leidige Motorgedanken. Sicher wollen wir möglichst darauf verzichten. Aber ganz ohne wären wir nicht hier. Jedenfalls noch nicht. Und in diesem für uns neuen Revier mit seinen vielen engen Schärenfahrwassern, schwankenden Strömungen und “Dangerous Waves”-Gebieten wollen wir nicht gänzlich windabhängig sein.
Immerhin scheinen wir uns im El Dorado der Außenbordmotoren aufzuhalten. Auf ein Segelboot kommen geschätzt zwanzig offene und geschlossene Motorboote, seit wir Norwegens Südküste befahren. Entsprechend häufig sind Tankstellen und Motorwerkstätten. Ich befürchte das schlimmste. Zu mehr als Mutmaßungen reichen meine Laienkentnisse nicht aus. Da die Kurbelwelle unseres “Mirakulix” keinen Millimeter zu bewegen ist, glaube ich kaum, dass er noch zu retten sein wird und suche nach Alternativen, im Netz und im Schaufenster des Motorcenter. Es öffnet morgen früh um 7 Uhr, bis Mittag wissen wir dann hoffentlich mehr.