“Should I stay or shoud I…” sail?
Gestern Korsør anzusteuern war auf alle Fälle die richtige Entscheidung. Der Wind hat noch zugenommen, nachdem ich den Hafen erreicht hatte. Die ganze Nacht blieb das so. Erst gegen 11 Uhr heute Vormittag wird es etwas ruhiger, allerdings, laut Prognose, nur vorübegehend. Ich habe gerade beschlossen, Musholm anzusteuern, eine kleine Insel etwa 10 Meilen nördlich von Korsør mit vor westlichen Winden gut geschützter Ankerbucht, und will das Großsegel klarmachen zum Auslaufen. Dabei stolpere ich über die Fock und stürze ungebremst mit dem rechten Bein in das geöffnete Vorluk, das Schienbein schrammt den Metallrahmen entlang.
Meine lange Unterhose ist zerrissen und blutig. Die Platzwunde sieht nicht gut aus und brennt stark und im ersten Schreck und Schmerz verstecke ich sie schnell hinter Kompresse und Druckverband. Atme tief durch. Rufe Miri an. Öffne die Wunde erneut, um sie zu desinfizieren. Ein fingerbreiter Hautlappen hängt am Schienbein herab und mir wird klar: das wird nicht von selbst heilen. Ich muss das Internet nach Ärzten und Krankenhäusern in der Umgebung durchsuchen. Die nächste Klinik scheint in Odense zu sein, über eine Stunde Bahnfahrt entfernt. Am Steg frage ich einen einheimischen Segler nach Ärzten, Kliniken, dem schnellsten Weg zum Bahnhof… Als ich ihm ein Foto der Wunde zeige, lässt er seine Arbeit am Boot stehen und liegen, meldet mich telefonisch in der Klinik in Slagelse an und fährt mich mit seinem Auto hin.
Im Wartebereich der Klinik wird eine Rede von Greta Tunberg ausgestrahlt. Zwei Stunden später ist die Wunde genäht, der Schmerz noch betäubt und ich sitze im Bus zurück nach Korsør. Zurück im Hafen krieche ich für den Rest des Tages in den Schlafsack. Über Nacht bleibt erstmals das Steckschott offen, bei Tiefstwerten um 10 Grad Celsius und das Cockpit in Lee des pfeifenden Windes bin ich froh, dass dieser dumme Unfall so schnell ärztlich versorgt wurde. Christian, dem hilfsbereiten dänischen Skipper sei Dank!
Mit Schmerzmitteln präpariert und leicht humpelnd sehe ich mir am nächsten Tag ein wenig Korsør an. Schon noch im Hafen befindet sich die erste Sehenswürdigkeit: ein gelbes Segelboot mit fließendem Übergang zwischen Bordwand und Aufbauten, sofort denke ich an den Beatles-Song “Yellow Submarine”: so habe ich mir das immer vorgestellt. Nur ist dieses hier nicht “Sub”.
Gleich hinter dem Hafen liegt ein großer Stützpunkt der dänischen Marine, die großen Marineschiffe waren das erste, was ich bei der Annsteuerung des Hafens vorgestern ausmachen konnte. Die Stadt insgesamt wirkt aber gar nicht militärisch. In der jüngeren Vergangenheit wurde sie der Verwaltung Slagelse unterstellt, wie ich in einer liebevoll gestalteten Infobroschüre lese, die am Hafenautomat auslag. Darin steht auch, dass einige Einheimische Korsør Haus für Haus in Miniaturen nachbauen, und zwar derart detailiert und aufwändig, dass die Fertigstellung eines Miniatur-Hauses bis zu zwei Jahren dauern kann.
Auch am 27. hat der Wind nicht abgenommen, dafür regnet es weniger. Unter diesen Umständen, mit der noch schmerzhaften Schienbeinverletzung fühle ich mich nicht fit genug für die Weiterfahrt und verbringe den Tag mit arbeiten am Boot und Bein hochlegen. Und per Handy-App zwei-drei Worte dänisch lernen. Zwischendurch betrachte ich immer wieder die Brücke über den großen Belt. In verschiedenster Beleuchtung ein beeindruckendes Motiv. Sicher, ich würde sie lieber schon hinter mir sehen. Aber wann sonst wäre ich nach Korsør gekommen? Und selbst, wenn es morgen auch noch nicht klappt, habe ich den Limfjord als Ziel für den 2.6., wenn Miri an Bord kommt, noch nicht abgeschrieben.
Eine Antwort auf „25. – 27. Mai: Hafentage in Korsør“
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Endlich erreichen wir wieder nurieonline – nachdem wir tagelang vergeblich auf neue Einträge gewartet haben 🤓. Irgendwie hatten wir keinen Zugang mehr. Schön zu lesen, dass es Euch gut geht (die Seekrankheit ist hoffentlich überwunden) und dass es bisher mit Eurer Segeltour so gut verläuft. Wir sind gespannt auf und freuen uns über die nächsten Einträge. Liebe Grüße Ruth und Papa/Botho