So war das schon mal nicht geplant: frohen Mutes, noch vor 18 Uhr die Oranienburger Sperrstelle hinter uns lassen zu können erreichen wir gegen 15 Uhr die Schleuse Schönwalde. Schon sind wir in Rufweite zum Uferradweg, da ruft auch gleich eine Radfahrerin: “Hier passiert heute nichts mehr. Sonntag und Donnerstag ist die Schleuse ganztägig geschlossen. Stand in unserer Zeitung.” Oha. In unserer (der gegoogelten) nicht. So endet hier also nuries erster Kanaltag 2019. Nicht an geplanter, aber an schöner Stelle, wie mich ein kurzer Landspaziergang schnell überzeugt. Vor allem, vom Generator des ebenfals auf Schleusung wartenden Wroclaver (Preslauer) Schubverbandes abgesehen: ruhig.
Hier der Tag von vorn: Nahe am Gefrierpunkt sind wir, als wir morgens aus unserem großen (zwei zu einem verbunden) Schlafsack kriechen. Allerdings ist es sonnig und wolkenlos, sowohl in uns als um uns. Endlich los! Kein dies noch und das noch erledigen mehr? Keine Bedenken mehr, was ich, was wir uns hier vorgenommen haben? Ob alles gut geht? Und wohin? Und danach? Sicher nicht. Sowohl die zahlreichen Aufgaben am und ums Boot und der Reiseplanung wie auch die größeren und kleinen Grübeleien um unsere lange Auszeit werden immer, mal mehr, mal weniger mit an Bord sein. Aber es gibt nun endlich kein zurück mehr in einen anderen Alltag. Die lange Vorbereitung ist zu Ende, die lange Reise beginnt.Um halb zehn legen wir ab, gleich nach der Morgentoilette und dem ersten Urlaubskaffee (Miri hat sich leicht überreden lassen und trinkt auch: Instant-Kaffee 1 Löffel, Kakao 1 Löffel, Zucker 1 Würfel). Noch kühler als am Vorabend, auf Thomas Geburtstagsparty im Hafen, und in der Nacht ist es auf dem Zernsee und der Potsdamer Havel Wind und Strömung entgegen. Nachdem wir nahe Ketzin in den Havelkanal eingebogen sind löst mich Miri am Steuer ab und ich schlüpfe mit zwei dicken Pullovern und Jacke in den Schlafsack und friere immer noch.Ab jetzt fast strömungsfrei geht es mit immer 3-4 Knoten voran. Fröstelnd, leicht erschöpft aber glücklich sind wir hier mit Ausnahme weniger Angler weit und breit das einzige Boot. Umso mehr Angler säumen das Ufer. Nahe Alt-Brieselang scheint ein Wettangeln stattzufinden, mit Signal gebendem Kampfrichter. Wir bestaunen die Längen der Angelruten, vier bis sieben Meter schätze ich. Eine knappe Stunde vor der Schleuse sitze ich wieder an der Pinne und kurz darauf passiert doch noch etwas nicht Erfreuliches: während ich die Ersatzpinne als Verlängerung mit Spanngurt an die Steuerpinne binde, verliere ich für einen Moment das Ufer aus den Augen und schon schrammt nurie über Grund. So plötzlich der Aufsetzer, so schnell ist das Boot auch wieder in der Fahrrinne und dem Schrecken folgt der Ärger über meine Nachlässigkeit. Miri hatte noch gefragt: “Brauchst du meine Hilfe?” Verspätete Einsichten als die Schleuse in Sicht kommt. Und dann ist hier also für heute Schluss. Ein wenig ärgerlich auch das, schließlich kann die Bombenfundstelle Oranienburg morgen erst wieder nach 17 Uhr passiert werden, bis dahin brauche ich etwa 4 Stunden. Das heißt einen Tag später in Szczecin sein. Nicht so schlimm. Aber wie kommt Miri jetzt zurück nach Berlin?Die nächste Bushaltestelle ist ca. 3 Kilometer entfernt und nachdem ich das abmontierte Schloss wieder ans Steckschott geschraubt habe machen wir uns auf den Weg, vorbei an Modellbaufliegern nach Schönwalde, Haltestelle Straße der Jugend. Für einen Monat die letzte Umarmung. Viel zu früh ist der Bus da. Und Miri fort. Zurück an Bord koche ich, was zuerst weg muss: Konserven noch vom Vorjahr. Starre auf die rote Schleusenampel. Befestige drei Dot-It-LEDs unter dem Schapp der Steuerbordkoje. Und krieche in den Schlafsack. Wenn auch nicht ganz, wie geplant: ein guter Start.