9.- 11 Mai Hafentage in Szczecin

An der Stabholzdecke in der Kajüte bildet sich nachts, bzw. wenn das Niedergangsschott gesteckt ist durch meinen Atem Kondenswasser. Nach einem langen Regentag und wenn ich mich exakt richtig positioniere kann es passieren – ein wenig glücklicher Zufall vorausgesetzt, dass genug für einen ganzen Tropfen zusammenkommt, der mir dann, mitten in der Nacht, genau ins Zentrum meiner linken Ohrmuschel fällt.
Der 9. und 10. Mai sind schnell zusammengefasst: Regen, Regen, Regen. Zur Freude des Aufbruchs gesellt sich ein wenig Bedrückung.
Nass und kalt auf dem engen und niedrigen und vollgepackten Raum der Kajüte beschränke ich mich auf Hin- und Herräumen, Kochen und die Erledigung einiger unter diesen Umständen möglicher Aufgaben auf der aktuellen Liste. Ich klebe einen Riss in der Bb-Saling mit Epoxy und bringe die von Miri genähte Windfahne an der Antenne an. Der Hafen ist wie ausgestorben. Als der Regen am Samstag Vormittag aussetzt, erwacht er, es stellt sich heraus, dass die vielen so verlassen wirkenden Boote keineswegs verlassen wurden. Plötzlich wird überall gearbeitet. Auch am Mastkran: nuries Mast wird gestellt. Ein polnischer Segler hilft beim Befestigen der Wanten aus und erklärt, er habe auf einem Folkeboot mit dem Segeln begonnen. Many years ago. Als ich dem Hafenmeister zu verstehen gebe, er möge kurz unterbrechen, damit ich das Antennenkabel befestigen kann, wechselt er einen Blick mit dem polnischen Skipper und sie lachen und ich verstehe nur: Achterstag. Jawohl, ich führe das Antennenkabel nicht den Mast entlang nach unten, sondern um das Achterstag gewickelt. Das dauert eine Weile. Der Hafenmeister nimmt sich einen Stuhl und schaut eine Weile zu, dann geht er fort und ist wieder da, als ich fertig bin. Kaum steht der Mast, stellt sich heraus, dass ich doch wieder einen Fehler gemacht habe: zwar läuft das Großfall richtig, nur seitenverkehrt, hinten ist vorn, das heißt, das hintere Ende ist zwisschen den Salingen gefangen, muss also noch einmal darüber zurück gefädelt werden. Ich versuche es zuerst mit dem Benzinkanister als Ballast, dann mit langem Bootshaken auf dem Kranfuß stehend. Als der Hafenmeister mein Maleur bemerkt holt er kurzerhand einen Bootsmanstuhl und hebt mich mit dem Kran auf die Saling. Alles kein Problem. Großartig, wie das hier läuft, im AJK Szczecin. Zurück in der Box schließe ich das Funkgerät ans Bordnetz an. Es funktioniert tadellos. Auf verschiedenen Kanälen höre ich polnische Funksprüche und verstehe: nichts. “WARNING Face Cover must be removed when vehicle is moving at high speed” steht auf einem roten Kleber an der Innenseite der Funkgerät-Abdeckung. Ohne zu wissen weshalb gefällt mir der Satz.
Später fahre ich noch in die Stadt und kaufe ein, was am dringendsten nötig ist: Spülschwämme und Handcreme, Kälte und Nässe haben meinen Fingern zu schaffen gemacht. Zurück am Boot versuche ich noch erfolglos, GPS und Funkgerät zusammenzuschließen.
Samstag kommen Miri und ihre Mutter Gabi spontan aus Berlin nach Szczecin und bringen Sonne und gute Laune mit und vertreiben meine Regen- und Kälteverstimmung, wenn eine solche denn vorhanden war. Und wir unternehmen beides: eine Runde mit nurie auf dem Dabie-See und eine kleine City-Tour Szczecin. Noch einmal Abschied nehmen, doch diesmal nur für drei Wochen.
Meine Anspannung steigt stündlich. Die neuen bzw. wie neu vor vier Wochen gebraucht erworbenen Segel stehen gut, haben wir auf dem Dabie festgestellt. Allerdings ohne Wind. Habe ich an alles gedacht? Nord 3-4 Beaufort sind für morgen angesagt. Möglicherweise also doppelter Weg und doppelte Zeit bis Trzebiez. Und dann wie weiter? Auf die Frage, wo die Reise denn hingehen wird, habe ich vorab meist geantwortet: mal sehen, mal sehen, wie das Boot ist, woher der Wind weht, Norwegen wäre schön, aber nach Nordosten auch, also zuerst einmal Kattegat hoch…
Also mal sehen, für morgen bestimmt zunächst noch der Oderlauf den Kurs. Und – in der Koje liegend, einmal mehr zwei bis dreilagig gekleidet und mit Mütze, spüre ich es ganz deutlich, er schwebt hier irgendwo herum, der Zauber allen Anfangs.

Schreibe einen Kommentar