Hesnæs besteht aus nur einigen wenigen Häusern und ist zu beiden Seiten umgeben von waldiger Steilküste. Der ausgedehnte Spaziergang gestern, entlang der Küste nach Norden, war ein Höhepunkt der bisherigen Reise, und wenn sie eine Suche ist, so habe ich hier viel gefunden. Auch einen Brief, mit einigen anderen in einer Dose verschlossen, die mit einer Leine an einem Baum nahe einer Grillstelle befestigt ist. Ich verstehe wenig, fotografiere aber Vor- und Rückseite des Briefs für eine spätere Übersetzung und bereue ein wenig, nicht selbst Stift und Papier zur Hand zu haben.
Von Hesnæs aus soll es durch das Smålandsfahrwasser in Richtung großer Belt gehen. Vor der Einmündung liegt eine Hand voll Inseln und in der Karte sind einige empfohlene Ankerplätze verzeichnet. DIE Gelegenheit, denke ich, stelle dann aber bei der Ablegevorbereitung fest, dass nun zwar ein Pfluganker mit Leine und Kette an Bord sind, aber ein dicker Schäkel zur Verbindung fehlt.
Vorherrschende Windrichtung ist heute Nordwest, das heißt zunächst wieder Kreuzen, die gut betonnte Einfahrt in das Smålandsfahrwasser hinauf. Kurz nach 11 Uhr liegt die Brücke zwischen Møn und Bogø Steuerbord querab, ich schalte das GPS aus und trimme ausführlich das Großsegel mit Niederholer, Unterliekspanner und Achterstag. Ein Trimm-Tag ist das bisher, genügend Wind, ohne Motor voranzukommen und nicht so viel, Boot und Rigg irgendwie schonen zu müssen. Um 12:15 Uhr liegt die rote Tonne WP 408 Backbord voraus und ich messe das Fahrwasser mit erfundenen Maßen aus: Wie lange kann ich nach Norden hinter die Tonne fahren, bis es flach wird (die 2-Meter-Tiefenlinie liegt etwa 1/3 Seemeile hinter der Tonne)? Ca. eine Knäckebrotlänge. Das ist die Zeit, die ein gemütlicher Skipper zum Verzehr einer Scheibe Knäckebrot benötigt. Nächstgrößere Einheit ist eine Knäckebrotpluswürstchenlänge. (die 2m-Tiefenlinie liegt etwa 1/3 nm hinter der Tonne)
Nach 15 Uhr sind die beiden Falster-Sjælland-Brücken passiert und ich mache eine kurze Ausnahme von unserer Regel “kein Handy auf dem Vorschiff”, fotografiere und Filme nurie in Fahrt von vorn, während die Pinne mit Gummileine an Backbord befestigt ist.
Wenig später flaut der Wind ab. Möglichst weit will ich heute kommen, deshalb nehme ich die Fock herunter und starte den Motor zum Großsegel. Die Inseln Femø, Fejø und Vejrø habe ich als mögliche Tagesziele ins Auge gefasst und entscheide mich nun für Vejrø, da es auf meinem weiteren Kurs Richtung Limfjord am günstigsten liegt.
Der Sonne entgegen – ich kann die Einfahrt kaum erkennen, so geblendet bin ich – geht es die letzten Meilen und in den Hafen nach Vejrø.
Wo bin ich hier nur gelandet? Wie sich schnell herausstellt: im Luxus-Ressort mit Helikopterlandeplatz und Landebahn für Kleinflugzeuge – auf einer Fläche von etwa 500×2000 Metern. Vieles, das mir so gar nicht fehlt, ist hier vorhanden, und die bisher sehr geschonte Bordkasse leidet: 50 Euro kostet nurie der Liegeplatz für eine Nacht und als ich das höre, überlege ich, noch schnell vor den Hafen zu fahren und dort zu ankern, bleibe dann aber doch und stopfe – wenn schon, denn schon, meine Wäsche in die Inklusive-Waschmaschine. Ein Tennisschläger für den Inklusive-Tennisplatz ist leider nicht an Bord.
Schlecht vorbereitet war ich da, ausschlaggebend für meine Ansteuerung des Hafen Vejrø war allein seine gute Lage auf der Route zum Limfjord. Um 23:30 Uhr sitze ich im blitzblanken Waschhaus und warte auf den Wäschetrockner und nehme mir vor, morgen zeitig von hier wegzukommen. Wohl kaum gehören nurie und ich hier zur Zielgruppe. Einerseits wäre unsere Reise in diesem “Preissegment” bald zu Ende. Andererseits fühlen wir uns in dieser Exklusivität auch gar nicht wohl.