“Ach schau, das wollte ich auch noch machen, die Powerbanks in die wasserdichte Plastikbox verstauen” sagt Miri, nachdem sie Schlafsäcke gepackt, das Vorschiff aufgeräumt und Kaffee und Tee gekocht hat, während ich Frühstück und (eigens für die Crew: “echten”, nicht löslichen) Kaffee im Supermarkt besorgte und 10 l Benzin an der Tankstelle davor. Ich lache, ist doch dieses “ach schau, dass wollte ich auch noch machen” seit Reisebeginn mein vermutlich häufigster Gedanke.
Als Tagesziel haben wir Hirsholmen ausgemacht, eine kleine Insel in Sichtweite vor Frederikshavn gelegen. Ein kleiner Schlag, Hirsholmen liegt keine 20 Seemeilen von Vesterø entfernt. Wir starten um halb 12 und sehen zwei Stunden später bereits viele Schornsteine und einige Windräder von Frederikshavn. Zwei Stunden sonnige und ruhige Fahrt bei halben bis achterlichen Winden bisher. Während Miri steuerte, testete ich nach Lektüre der Anleitung das Funkgerät. Es funktioniert tadellos: ein DSC-Test-Call an einen Segler in der Nähe wurde umgehend bestätigt.
Voll und ganz sonnig, ruhig und reibungslos bleibt es nicht: um 13:53 Uhr, kurz nach einer Halse und Hirsholm etwa 5 Seemeilen voraus, bemerke ich, dass die Baumschiene leicht schräg steht. Mit der Halse sind zwei Schrauben des Beschlags ausgerissen. Wir bergen rasch das Großsegel und legen die restliche Strecke unter Fock und Motor zurück. Glücklicherweise haben wir ein recht umfangreiches Schraubensortiment an Bord und so sollte die Reparatur der Baumschiene kein großes Problem sein.
Hirsholm bietet zwei Anlegemöglichkeiten: im Hafeninneren an einer breiten, fast quadratischen Pier oder, mit Heckanker, an einem Steg hinter der Nordmole. Die Wassertiefen an der Pier sind laut Karte deutlich geringer als am Steg und so entscheiden wir uns für letztere Option. Im ersten Versuch fällt der Anker zu früh und wir erreichen den Steg gar nicht, im zweiten Anlauf liegt nurie dann zu dicht bzw. zu schräg. Mit dem Ergebnis des dritten Versuches schließlich sind Crew und Skipper zufrieden, die Sonne lacht und Hirsholm ist ein kleines Vogelparadies. Die Mole sowie alle vorgelagerten Steine sind besetzt von Gryllteisten, eine Gattung aus der Familie der Alkenvögel, die an Pinguine im Miniaturformat erinnern. Auf unserem Inselrundgang sehen wir überall brütende Möwen. Außerdem einen großen und einen kleinen Leuchtturm, eine Kirche, ein knappes Dutzend gelbe Wohnhäuser sowie eine kleine, offene Hütte mit Informationen über Hirsholm. Um 1870 lebten hier über 200 Personen. Heute sind es weniger als 10, und diese leben auch nur in den Sommermonaten auf Hirsholmen.
Zurück am Boot trete ich zu schwungvoll auf die steuerbordseitige Cockpitbank, und so erhält nicht nur die Baumschiene neue und zusätzliche Schrauben…
Am nächsten Morgen können wir uns einen schöneren Ort als die Insel, auf der wir uns befinden, kaum vorstellen und beschließen, einen Tag hier zu bleiben. Nur einfach leben oder einfach nur Leben, zwei grundverschiedene Perspektiven auf die Möglichkeiten kleiner Inseln wie kleiner Boote, denke ich, dankbar und glücklich, hier zu sein: weil letztere uns lockte und erstere (ohnehin relative) nicht aufhielt. Der Tag vergeht mit Spaziergängen auf frisch in die hohen Wiesen gemähten Wegen, am Strand hinter der Info-Hütte, mit intensiver Beobachtung der Möwen und Teise sowie Planung und Vorbereitung der Weiterreise. Schnell muss hier nichts gehen und das tut es nicht. Der Weg über die Mole zum Sanitärgebäude mit Seewasserspülung und zurück etwa ist eine halbe Stunde lang. Einige Motor- und Segelboote legen im Lauf des Tages am Steg an und meist nach einigen Stunden wieder ab, nur ein weiterer deutscher Segler bleibt über Nacht neben nurie liegen. Morgen geht es weiter nach Skagen, von dort aus wollen wir dann hinüber nach Schweden.