Reisegeschwindigkeit

Auf See wird in Knoten gerechnet. Diese Einheit lässt sich auf wirkliche Knoten zurückführen, geknüpft in eine tatsächliche Leine, die früher von Booten ins Wasser gelassen wurden, um die Geschwindigkeit zu berechnen.

Am Besten lässt sich unsere Reisegeschwindigkeit vielleicht mit Vergleichen aus dem “normalen” Leben beschreiben. Spaziert der Wind beispielsweise mit 3,6 km/h durch die Luft, dann sind das umgerechnet 1 m/s oder 1 Beaufort. nurie kommt dann nicht wirklich voran. Wenn der Wind anfängt zu joggen (10 km/h oder 2,8 m/s oder 2 Beaufort), sieht es kaum anders aus. Und steigt der Wind aufs Rad (20 km/h oder 5,5 m/s oder 4 Beaufort), dann kommt nurie – stimmen Windrichtung, Welle und Strömung mit unserem Kurs überein – schon mal auf 7 Knoten. 7 Knoten wiederum sind 3,4 m/s oder 3 Beaufort oder 12,2 km/h.

nurie hat in diesem Sommer einmal 10,2 Knoten gemacht. Das geht jedoch nur bei anschiebender Welle und Böe. Unsere höchste gesichtete Reisegeschwindigkeit waren demnach 19,5 km/h … das hört sich sehr gemütlich an, auf dem Meer mit nurie fühlen sich solche Geschwindigkeiten aber wirklich schon sehr rasant an.

Die Beaufortskala, in der auch die Windgeschwindigkeit gemessen wird, reicht von 0 bis 12, wobei 0 Beaufort (Windstille) bis 1 Knoten und 12 Beaufort (Orkan) ab 65 Knoten Geschwindigkeit sind. nurie fährt also im unteren Viertel der Beaufortskala. Wir selbst machen uns bis zu einer vorhergesagten Windgeschwindigkeit von 6 Beaufort auf den Weg, ab 7 Beaufort beginnt der “steife Wind” und ab 9 Beaufort der Sturm (20,8 m/s bzw. 75 km/h). Während die Beaufortskala bei 12 Beaufort/64 Knoten/32,7 m/s bzw. ca. 165 km/h aufhört, kann der Wind noch viel doller pfeiffen – ein Hurrikan bringt es auf 250 km/h, das sind 70 Meter in der Sekunde.

nurie und wir sind meist in Jogginggeschwindigkeit auf dem Wasser unterwegs, eine wirklich angenehme Reisegeschwindigkeit.

Fragen beim Segeln

Siehst du die grüne Tonne/den Leuchtturm/die Hafeneinfahrt?
Was ist denn das da?
Ist es tief genug?

Und vor allem immer wieder: Wie wird der Wind? Und wie wird die Welle?

Diese Fragen stellen wir uns an Bord häufig. Tonnen, Bojen und sonstige Seezeichen, die angesteuert oder umfahren werden wollen, gibt es reichlich auf See. Markiert werden Fahrrinnen, Untiefen, Einfahrten. Es ist also äußerst wichtig, sie zur rechten Zeit im Blick zu haben. Da kommt es dann auch auf die Lichtverhältnisse an … ist es spät geworden und geht die Sonne gerade hinter dem Hafen unter, sieht man nicht viel. Oft spiegelt sich die Sonne in den Wellen oder verschwimmen Himmel und Meer in einem Grauton ineinander. Dann ist es ebenfalls schwer, Tonnen und Bojen auszumachen. Diese sind in den verschiedenen Ländern der Ostsee auch recht unterschiedlich gebaut, in Deutschland eher dick und fett, in Schweden etwas schlanker und in Norwegen sehr spartanisch – eine kleine Laterne mit einem Farbkleks irgendwo. Aber am Ende ist es immer gleich – alles Wichtige erkennen wir früh genug.

Was ist denn das da, gehört bei uns auch fest ins Fragenrepertoire. Aus einem imaginären Kriegsschiff wird später eine Insel und aus der fantasierten Skyline einer Stadt Dickschiffe, die vor Anker liegen. Ob wir an der Südküste Norwegens wirklich an einem U-Boot vorbeigefahren sind, werden wir wohl nie erfahren.

Ist es tief genug? Diese Frage kommt auf, wenn wir ankern möchten. Unser Tiefenmessgerät/Fischfinder hat zu Beginn unserer Reise einmal kurz geflimmert, dann haben wir ihn nicht mehr eingeschaltet. Dank elektronischen Seekarten wissen wir recht genau, wieviel Wasser nurie noch unter dem Kiel hat, in der Realität fahren wir mit ihr jedoch einfach auf einen Felsen zu. Da schauen wir dann lieber selbst über den Bug, um zu beurteilen, ob es tief genug ist. Das fällt mal mehr und mal weniger leicht. Den Bug machen wir dann an vorhandenen Ringen, Nägeln usw. fest. Vorher werfen wir den Anker übers Heck aus.

Die wichtigste Frage lautet aber immer wieder, wie wird der Wind. Der entscheidet nämlich, wie viele Seemeilen wir am nächsten Tag zurücklegen können, wie schräg Schrägstrich nass der Schlag wird, wie wir uns anziehen und ob wir gegen den Wind kreuzen müssen oder der Wind uns vor sich hertreibt.

Versorgung und Leben

In Polen gibt es keinen Brennspiritus für unseren Herd, in Norwegen keine H-Milch. Ohne Kühlschrank an Bord muss Rüdi seinen Kaffee mit Pulver weißen und Müsli gibt es gerade nur ausnahmsweise zum Frühstück.

Wir trinken hier kleine 0,3-l-Hafenbiere aus der Dose für 2,5 € (wohlgemerkt nicht in einer urigen oder gar hippen Hafenbar, sondern zu Hause auf nurie, das Bier gekauft im Supermarkt). Die norwegische Regierung achtet jedoch nicht nur in Sachen weicher Drogen darauf, dass solche Späße ordentlich Geld kosten, auch Süßigkeiten sind leider unglaublich teuer. Das schmerzt die Vorschoterin sehr.

Wie gut, dass zum Standardeinkauf stets immer auch Gurke, Eisbersalat, Erdbeeren und Zwiebeln gehören, die sind verhältnismäßig nicht sooo teuer. Und die selbstgefangenen Makrelen, die zwei- bis dreimal pro Woche auf den Tisch kommen, gibt es umsonst.

Wir zahlen meist wenig (weniger als in S oder DK) für den Hafen und teilweise kostet es gar nichts. Vor allem nicht, wenn wir ankern oder an einer Boje oder einem Mooring Bolt festmachen. Geschützte Plätze sind in der Karte verzeichnet, auch unser Norwegenbuch bietet hilfreiche und ausführliche Infos. Es gibt auch öffentliche Friluftsomrade mit Stegen zum Anlegen oder kommunale Bryggen, wo meist auch kostenlos angelegt werden kann.

Die Norweger leben am und im Meer, hier hat fast jeder ein Boot, die meisten mit Motor. Angler treiben meist in ihrer Schale ohne Fahrt über guten Angelstellen, viele andere kosten ihre xx-xxx PS voll aus und ziehen hohe Wellen hinter sich her. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich hier viele mit Motoren auskennen. Äußerst praktisch, wenn man selbst mit Motorproblemen zu kämpfen hat. Unser Miraculix hat ja doch irgendwann den Geist aufgegeben, den neuen gebrauchten Yamaha mit 6 PS haben wir noch nicht getauft.

Aber wie sollten die Leute hier sich auch sonst von Ort zu Ort bewegen? Wir haben den Eindruck gewonnen, dass hier einfach alle ein schönes Häuschen am Wasser mit fantastischem Blick besitzen. Und diese Häuschen liegen auf den zahlreichen Schären und Inseln. Auch gibt es an vielen Supermärkten einen Kurzzeitliegeplatz für Boote von Kunden. Mit dem Boot geht es einfach meist am schnellsten und ist auch am schönsten.

Von Inseln und Ängsten

Im letzten Jahr haben Rüdi, nurie und ich elf Inseln besucht. In diesem Jahr hat Rüdi natürlich schon mehr als ich und sicherlich bereits mehr als elf zusammen.
Læsø und Hirsholmene in Dänemark, Marstrand, Orust, Havsten, Lilla Kornö und Süd-Koster in Schweden und Stutsholmene sowie Skjernøy in Norwegen, das ist meine bisherige Ausbeute.

Inseln sammeln ist schön.

Wir sind in Norwegen angekommen, einem der Ziele unserer Reise. Und dann ausgerechnet in Verdens Ende (Ende der Welt)! Wir sind trotzdem weitergefahren: Kattegat und Skagerrak liegen hinter uns, die Westküste Norwegens und der Atlantik nun vor uns. Auch Lindesnes und Lista sind umrundet, an diesen Küstenabschnitten treffen die Ostsee und der Atlantik aufeinander.

Vor diesen Schlägen hatte ich sehr viel Respekt und auch Angst. Denn mich plagen leider Ängste, die ich bisher nicht kannte. Vielleicht liegt es am Revier, denn in den Karten steht oft ‘dangerous waves’ oder aber ‘most dangerous Norwegian coastline’ oder ‘no shelter for 30 sm’. Das ist nicht gerade beruhigend.

Aber dann ist es doch wie immer, Rüdi bringt mich/uns sicher in den nächsten Hafen. Die Warnhinweise gelten denn auch für Windstärken, bei denen wir mit unserem Folkeboot eh nicht rausfahren würden. Meine Ängste muss ich unbedingt bald überwinden.

Eine Insel, die immer ganz in der Nähe ist, sollte dabei helfen: unsere Rettungsinsel. (Bei der ich ebenfalls stets und völlig grundlos in Sorge bin, dass sie sich einfach von selbst aufbläst.)

Jetzt freue ich mich hier im Flekkefjord einfach auf die nächste Insel, die Rüdi, nurie und ich zusammen entdecken werden.

Ankerplatz Havsten
Verdens Ende
Skjernøy
Flekkefjord

Werden Spinnen eigentlich seekrank?

Das frage ich mich, während ich versuche, Lüsterklemmen im Kabelschrank abzudichten. Wir sind in Skagen und kümmern uns um die Bordelektronik. Die abzudichtenden Kabel liegen natürlich schwer zugänglich ganz hinten im Schrank. Danach muss ich feststellen, dass das Funkgerät nicht mehr funktioniert. Also alles wieder ab. Und da entdecke ich sie, eine dicke fette Spinne. Normalerweise ‘rufe’ ich Spinnen Hugo, gemäß dem Motto: Benenne deine Ängste. Aber das ist kein Hugo, meine Hugos haben dünne, lange Beinchen. Die Spinne trägt natürlich nicht dazu bei, dass ich ruhiger an die Arbeit gehe. Aber irgendwann bin ich fertig.

Und ich frage mich, werden Spinnen eigentlich seekrank? Mit den acht Augen. Mich hat sie nämlich voll erwischt, die Seekrankheit. Etliche Tabletten sind schon geschluckt, angeblich soll Ingwer kauen helfen.

Ansonsten habe ich mich gut eingelebt und eingestellt auf das Leben mit Rüdi und nurie. Ein erstes Highlight war der Aufenthalt auf Hirsholmene, einer kleinen Insel im Kattegat. Wundervoll! Früher wohnten etwa 200 Leute/40 Familien hier. Heute sind es vielleicht noch eine Handvoll. Gesehen haben wir einen, der in seinem Garten saß und dänische Volksmusik hörte. Wir bleiben direkt zwei Nächte, es gibt nur ein WC, sonst nix. Auch keine Hafengebühr. Möwen und Tejst, die auf der Mole liegen und aufgeschreckt werden, wenn wir dort entlang laufen. Eine wunderschöne Mole.

Eines möchte ich noch klarstellen: Ich habe nicht die Liebe zum Segeln entdeckt, wie Rüdi auf der Startseite seines Blogs schreibt, sondern die Liebe zu ihm und seinem Folkeboot nurie.

Die Spinne, die es sich am Hafenaufkleber in Skagen gemütlich gemacht hat und die ich beim Segel klar machen für die Überfahrt nach Schweden verscheuchte, diese Spinne krabbelte dann später in Marstrand putzmunter übers Deck. Ich glaube nicht, dass Spinnen seekrank werden.